Die Nachricht vom Tod von Papst Franziskus erinnerte ich mich an eine Ausstellung mit dem Titel „Black Pope“ und an ein virales Fake-Foto, das Franziskus in einer Balenciaga-Pufferjacke zeigt, und an Ausstellungen und unabhängigen Kunstveranstaltungen mit den wiederkehrende Themen: Authentizität im Zeitalter der künstlichen Intelligenz, anhaltende Ungerechtigkeit, Krieg und politische Rückschläge gegen Vielfalt, Gleichberechtigung und Inklusion sowie das Thema Träume. Träume können uns inspirieren, eine bessere Welt vorzustellen und zu versuchen, sie zu verwirklichen. Während einige Künstler auf KI und digitale Prozesse setzen, betonen andere organische, reale Prozesse und Zufälle, indem sie analoge Fotografien absichtlich verwischen oder verfallen lassen. Ich mag Überraschungen und ästhetische Unvollkommenheit, aber wichtig ist auch, ob jemand etwas zu sagen hat.
Der verstorbene Papst Franziskus wurde als volksnaher Kämpfer gegen die Armut und für den Frieden gefeiert, aber das vielleicht bekannteste Bild von Franziskus wurde von KI-Künstlern erfunden: 2023 ging ein Bild viral, das den Papst in einer weißen Balenciaga-Jacke zeigt, ein Outfit, dass der bescheidene Papst niemals getragen hätte.
Ein anderes Bild eines Papstes, den es so nicht gibt, stammt vom Fotokünstler Samuel Fosso, der sich seit Jahrzehnten im Look berühmter Persönlichkeiten fotografiert, unter anderem als chinesischer Kaiser von Afrika oder als dunkelhäutiger Papst.
Dank künstlicher Intelligenz kann jetzt jede und jeder wie jemand anderes aussehen und sich selbst oder sekundenschnell als Papst abbilden, wie hier die amerikanische Gospelsängerin Mahalia Jackson. Daneben ein ähnliches ein Bild von mir, einem weiteren weißen Mann, als Heiliger mit ernstem Blick. Inspiration für mein Bild war übrigens kein Papst, sondern der als „Heiliger Ingo“ missverstandene Gruß „Hi, lieber Ingo“. KI-Kunst ist zum unterhaltsamen Spielzeug und billigem Werkzeug für die breite Masse geworden, aber nimmt sie uns den Spaß am künstlerischen Prozess? Ich versuche mir vorzustellen, wie Sam Fosso sich nach der Arbeit in seinem Atelier als Papst verkleidet und dann ein später Kunde hereinkommt oder wie er in diesem Aufzug auf die Straße geht, um einen Drink zu kaufen.
Die Bischöfe hätten einen dunkelhäutigen Papst wählen können, aber sie hatten keine Option, für eine Frau zu stimmen. Bei politischen Wahlen mögen solche Einschränkungen offensichtlich erscheinen. Aber versteckte Zwänge schränken auch alltägliche Wahlmöglichkeiten ein, manchma so subtil, dass wir vermeintlich unseren freien Willen ausüben. Im wirklichen Leben braucht es Glück und Witz, um Regeln zu brechen, wie die als Mann verkleidete fiktive Päpstin im gleichnamigen Film von 2009.
Es braucht also keine KI, aber KI macht es auch ohne schauspielerisches und fotografisches Talent möglich, beeindruckende Bilder zu erfinden, die lustig, nachdenklich oder verstörend wirken oder gefährlich subtil so wenig verändern, dass es kaum auffällt. Auch das war schon ohne technische Tricks und ohne ausdrückliche Lüge durch Auswahl, Weglassen und Auswahl des Kontext (Framing) möglich, aber auch das ist durch Deep Fakes und generative KI viel einfacher geworden. Schlimmer noch, es geschieht inzwischen täglich auch ganz ohne bewusste Absicht. Naive Nutzer von KI-Software, die mit vorurteilsbehafteten Quellen trainiert wurde, erhalten schnelle und einfache Antworten auf ihre Fragen und lassen sich beim Verfassen von Aufsätzen und Werbetexten assistieren. Ein banales Beispiel:
So weit ich weiß, ließ Papst Franziskus kurz nach seinem Amtsantritt viele teure Dienstwagen seiner Mitarbeiter abschaffen. Andererseits hat er angeblich mal eine weiße Luxuslimousine signiert. Bitte ich die KI ChatGPT um einen Faktencheck, erhalte ich eine plausibel klingende Antwort, die mir für Small Talk genügen würde. Aber für eine wissenschaftliche Publikation oder einen Artikel wie diesen sollte ich selbst recherchieren und mich nicht auf derartiges Halbwissen verlassen.
Ja, Papst Franziskus setzte sich früh für Bescheidenheit ein und verzichtete auf teure Dienstwagen, nutzte stattdessen einfache Fahrzeuge. 2017 signierte er jedoch einen Lamborghini, der ihm geschenkt wurde – dieser wurde versteigert, der Erlös ging an wohltätige Zwecke. Ein virales Foto, das ihn in einer weißen Balenciaga-Jacke zeigt, ist KI-generiert und keine echte Aufnahme. In der Realität ist Franziskus für seine sozialen Botschaften und Reformversuche bekannt, während er in der Popkultur oft als moderner, volksnaher Papst inszeniert wird – etwa in Memes oder satirischen Darstellungen.
Frage ich die KI, ob sie die Aussagen mit Quellenangaben belegen kann, durchsucht sie das Internet und liefert mir ähnliche Quellen und Fotocollagen, wie ich sie selbst mit Google oder Ecosia zusammengesucht hätte. Das Grundproblem ist nicht die KI, sondern unsere Bequemlichkeit und Kritiklosigkeit.
Die konkreten Aussagen mögen wahr sein, aber vielleicht vermitteln sie dennoch einen falschen Eindruck mit seinen ästhetischen Bildern eines modernen Medienstars und einer multikulturellen Gruppe von Männern, die Vielfalt verkörpern. „Ja, Papst Franziskus verzichtete bewusst auf luxuriöse Dienstwagen und bevorzugte bescheidene Fahrzeuge wie einen Fiat 500L oder einen Ford Focus. 2017 erhielt er einen speziell angefertigten Lamborghini Huracán, den er signierte und segnete; das Fahrzeug wurde später für wohltätige Zwecke versteigert.“ Aber entspricht das der mächtigen Institution der katholischen Kirche, die immer wieder für Machtmissbrauch, Korruption, unaufgeklärte sexuelle Missbrauchsfälle und mangelnde Mitspracherechte für Frauen kritisiert wurde?
Das sind Themen, die die KI mir auf weitere Nachfrage ebenfalls nennt. Doch der erste Eindruck zeigt, trotz Faktenchecks, eine irreführende Mischung aus echten und gefälschten Bildern. Die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verschwimmen. Dennoch ist es immerhin ein hoffnungsvolles Bild, ähnlich wie Heilige oder Popstars, die den Menschen Hoffnung und positive Werte vermitteln.
Quellen und weiterführende Lektüre:
Ryan Broderick, part of the digital literacy collective „digivoidmedia“ wrote on Twitter: „My theory as to why it’s fooling so many (myself initially included) is that the pope aesthetically exists in the same uncanny valley as most AI art“ – and that might be as close as it gets to understanding why it was THIS pic that sparked the newest debate about the use of AI. Or maybe what also contributed to the image of a „cool pope“, who would wear a puffer jacket like in a rap video, is that he actually did things like signing a Lambo in the past. Also, there were a lot of memes with actual real pictures of him like “pope is dropping bars”.
Analoge Authentizität als Antwort?
Manchen Künstler:innen scheint es sehr wichtig, den allgegenwärten glanzpolierten Konsumkram zu mit Individualität zu begegnen. Einige entscheiden sich gleich ganz für das gegenteilige Klischee und experimentieren mit absichtlichem Verfall und Zerstörung, Sonnenlichtbleiche, Mehrfachbelichtung und organischen Säuren, die sie mit Zahnbürsten ihrer Ahnen ernähren. Ein solcher künstlerischer Prozess ist vielleicht, wie in Fossos Fall, eine wichtige persönliche Erfahrung, aber das Ergebnis kann dennoch enttäuschen oder auf außenstehende Betrachter irrelevant wirken, wie bei dem Amateurkünster, der sein geliebtes verstorbenes Haustier auf Ölgemälden verewigt.
Aber bilde dir deine eigene Meinung und schau dir zum Schluss die Fotos an, die ich in letzter Zeit auf Ausstellungen und in der Stadt gemacht habe. Beim ART SPRING / GALLERY WEEKEND / SELLERIE WEEKEND 2025 in Berlin war ich von einigen analog und digitalen Kunstwerken sehr beeindruckt, darunter A.PHANTASIA von Oyu Ocean und Bojana Knežević als Harpirexia in einer Multimedia-Performance mit ihrer eigenen Stimme und kostümiert als mythische Vogelfrau. Hintergründe und weitere Infos entnehmt bitte den verlinkten Websites der Künstlerinnen und Künstler.

Links, Credits und mehr zu entdecken:
- Anna Zimmermann: BOYS DON’T CRY
- Anette Kuhn
- Anohni, Erika Yasuda, Julia Yasuda: She Who Saw Beautiful Things
- Ateliergemeinschaft Milchhof Berlin
- Barbara Caveng: Hairy
- Benjamin Lallier: Lying in the Kitchen
- Bojana Knežević: Harpirexia
- Danielle Brathwaite-Shirley (Lady Danfuga): UNCENSORED
- Diane Severin Nguyen: Spring Snow
- Giuseppe Gonella: Lebensraum der Träume (what inhabits the dreams?)
- Mariel Poppe: Architectural Fictions
- Marie Jeschke: Happy End
- Michel Lamoller: Progress in Paradise
- Oyu Ocean: A.PHANTASIA
- Pictoplasma Animation Conference
- Sam Fosso: Black Pope, Chinese Emperor of Africa
- Seweryn Jański and Jacek Zachodny
- Sellerie Weekend Berlin