Vielleicht gibt es schon zu viele Geschichten und Filme über ältere Menschen, oft Männer, die auf ihr Leben zurückblicken. Verkehrter wäre bloß, einen kritischen Rückblick zu verweigern, wie es gerade nach den beiden europäischen „Weltkriegen“ zu viele getan haben.

Acht Berge“ erzählt die Geschichte ungewöhnlicher Menschen, die sich bewusst gegen das moderne Stadtleben entscheiden oder eben nicht, und stellen die Frage, wie sehr wir unsere eigenen Träume oder die anderer verfolgen. Auch ein anderer Film befasst sich mit ähnlichen Dingen. Anstelle beeindruckender Landschaftspanoramas werde bei „Was man von hier aus sehen kann“ skurrile Details einer Dorfgemeinschaft gefeiert, die aus der Zeit gefallen scheint, aber ich kann bestätigen, dass es ähnliche Orte und Menschen tatsächlich gibt. Bloß der Zusammenhang von Todesfällen mit Okapis, die im Traum erscheinen, hat die Autorin wahrscheinlich erfunden. Die Verfilmung ist großartig, abgesehen vom offensichtlichen Fehler, dass die Oma keineswegs „wie Rudi Carrell“ aussieht. Gerade das hätte den Film um einen interessanten modischen Aspekt der Achtzigerjahre bereichert.
Collage 8 Berge / Was man von hier aus sehen kann / Film Flyer und Ausschnitte
Zurück zur Titelstory: mich erinnerte die Vater-Sohn-Beziehung, die verkannten Träume und die vermeintliche Freiheit des Reisens, die hier thematisiert werden, auch an mein eigenes Leben, aber auch an das liebevoll satirische Buch „Vorzelt zu Hölle„, in dem der Autor Tommy Kreppweis gemeinsam mit seinem Vater auf familiäre Campingreisen zurückblickt.

Auch denke ich an modernes „Glamping“, dessen Wohnmobil-Massentourismus mehr mit Lkw-Parkplatz als mit Zeltplatz und Naturidylle zu tun hat. Früher ohne Internet, aber auch ohne Reservierung reisten wir spontan, heute scheint alles überfüllt mit farblosen Riesenmobilen. Mein Vater liebte Road Movies, baute einen Minibus zum Campervan aus und fur mit uns zum Nordkapp und nach Griechenland. Ich langweilte mich auf den stundenlangen Road Trips und konnte die Faszination des Fahrens nicht nachvollziehen. Als ich später selbst am Steuer eines VW-Bullis saß, spürte ich immerhin ein bisschen davon, wollte mich aber mit Spott und Selbstkritik von diesen Träumen distanzieren, die nicht wirklich meine waren. Auf anderen Reisen konnte ich beweisen, wie es mit Interrail, Bus und Bike ganz ohne eigenes Auto und Flugzeug möglich ist zu Reisen, natürlich nicht genauso schnell und genauso weit, und leider kostet es tendenziell auch mehr Geld und mehr Zeit.

Aber egal auf welche Weise und wie weit weg von zu Hause ich reise: die Geschichte reist auch immer mit, und ein kritischer Rückblick über den eigenen Lebenslauf hinaus hilft nicht nur auf dem Weg zum Glück, sondern verhindert vielleicht auch, Unglück und Unheil unbewusst an kommende Generationen weiterzugeben.

Auf einer Konferenz überraschte Tobias Baldauf mit einem sehr persönlichen Vortrag, der zeigte, wie stark auch die Nachkriegsenkel vom Trauma der beiden Weltkriege betroffen sind. Das Video dazu ist hier zu sehen: www.youtube.com/watch?v=JGiyec5b5xU. Passend dazu in meinem Stapel ungelesener Bücher: das Buch „Kriegsenkel“ der Autorin Sabine Bode.

Collage: Tobias Baldauf speaking about his grandfathers as World War soldiers, and the book cover of Matt Haig's Midnight Library

Schon gelesen habe ich ein hoffnungsvoll romatisches, sarkastisches und lustiges Buch über Parallelwelten und vermeintlich verpasste Chancen: die Mitternachtsbibliothek (The Midnight Library).

Abschließend bemerkt wäre es aber auch unverhältnismäßig eogistisch und selbstbemitleidend, sich zu sehr mit der eigenen Vergangenheit zu beschäftigen. Auf einer nachdenklichen Bahnfahrt zurück von einer Reise in die Vergangenheit (Elternhaus, Klassentreffen, Krankenbesuch) holten mich die Worte eines anderen Vaters in die Gegenwart zurück, der seinen Kindern gerade von Astrid Lindgren vorlas, hier sinngemäß aus „Karlsson vom Dach“ zitiert:

Lillebror fragte sich, ob er vielleicht auch „ein Mann in den besten Jahren“ sei. „Welches sind die besten Jahre?“ fragte er. „Alle!“ antwortete Karlsson.