Was bedeutet „Beyond Tellerrand“ und warum schreibe ich draüber? Beyond Tellerrand (wörtlich „über den Tellerrand hinaus“) ist eine Konferenzreihe, die Kreativität und Technologie verbindet.
Warum Konferenzen noch relevant sind
Sind Konferenzen überhaupt noch relevant? Ja, das sind sie, auch wenn verschiedene Leute sie aus unterschiedlichen Gründen besuchen mögen, seien es Vorträge und Performances auf der Bühne oder das Netzwerken im Foyer. Als Webentwickler arbeite ich vorwiegend digital und kann Wissen und Inspiration online finden, ohne irgendwohin zu gehen. Dennoch gehe ich gerne ab und zu zu Konferenzen und Meetups. Nach einer Pause im letzten Jahr war ich dieses Jahr wieder bei der Beyond Tellerrand in Berlin. Was ich dort gelernt habe und warum Vor-Ort-Veranstaltungen immer noch meinen Horizont erweitern:
Beyond Tellerrand erinnert mich immer wieder daran, beim Gespräch in einer Gruppe einen Platz für Neuankömmlinge frei zu lassen. Auch als „Pac-Man-Regel“ bekannt, hat diese Form eines Kreises mit fehlenden Tortenstück schon einige Künstlerinnen und Künstler zu grafischen Illustrationen inspiriert und Besucher dazu, in Pausengesprächen neue Freundschaften zu schließen. Auch bleibt die Veranstaltung vereint und überschaubar durch die begrenzte Teilnehmerzahl von etwa fünfhundert Besuchern und dadurch, dass Vorträge niemals parallel stattfinden. Jeder gesprochene Satz erscheint in Echtzeit transkribiert auf einem Bildschirm, dank Andrew, einem Menschen der seit Jahren auch schwierige technische Fachbegriffe und kulturelle Themen meistert. Tobi Lessnow wiederum ist bekannt dafür, Samples der Vorträge in seine Live-Musik bei Beyond Tellerrand einzubauen. Ein weiters kleines, aber wichtiges Detail sind die Namensschilder mit auf dem Kopf stehend gedrucktem Zeitplan, so dass die Teilnehmer das auf ihrem eigenen Badge das Programm und auf denen der anderen Teilnehmer die Namen lesen können.

„Pac-Man-Regel“-Kunstwerk von Nikolai Kampen, eine schwacher Abklatsch in meinem Noitzbuch und das Programm vom Freitag auf meinem Namensschild
Beyond Tellerrand Berlin 2025: Konference und Rahmenprogramm
Auf der Hauptveranstaltung gibt es eine Bühne, einen Garten und mehrere Stände von Sponsoren und Partnern wie dem Smashing Magazine, die selbst Konferenzen für Tech und Kreative veranstalten. Es gibt gratis Tee und Kaffee, und manchmal auch Freigetränke nach dem letzten Vortrag, diesmal spendiert vom Kirby CMS, und es wurde ein Computer von ASUS verlost. Schon Tage zuvor beginnt das Rahmenprogramm mit mehrerren Side Events rund um Barrierefreiheit, Musik und Aktivismus, somit noch mehr Gelegenheiten um neue Ideen und Menschen zu entdecken, wie Alex Wolf , die das Warm-Up-Event bei dies&das.digital in Kreuzberg mit ihrem Vortrag über Narrative und Systemwandel inspirierte.
Was ihren Inhalt angeht, geht es in den meisten Vorträgen bei Beyond Tellerrand weniger um Neuigkeiten oder spezifische technische Details, sondern mehr darum, einander zu inspirieren und Weisheiten zu wiederholen, die wir auch in zehn Jahren noch zitieren können, so wie „mit dem korrekten Kern kommt resilienter Code wie von selbst“ („get the core right and the resilient code will follow“) von Andy Bell. Verlange nicht zu viel auf einmal, sondern verfolge einen mehrschrittigen Ansatz (multi-pass approach) wenn du mit Menschen oder Maschinen kommunizierst, empfahl Jo Franchetti und demonstrierte, wie sie teure Prompts an entfernte, unkontrollierbare Language Models durch eine API-kompatible Alternative auf ihrer eigenen Maschine ersetzte, dank LM Studio, und wie sie Refinement-Runden optimierte, indem sie beim Prompten eine JSON-Antwort verlangte, die einem typisierten Schema entspricht. Social-Media-Influencer Lucy Blakiston wurde interviewt von einer anderen Neuseeländerin: Sacha Judd („Take back control of your scroll!“) hatte zuvor in ihrem Vortrag verschiedene Ansätze von Fandom, Netzpolitik und unabhängiger Content Creation im Internet diskutiert. Lucy hatte es just geschafft, ihre Followerschaft auf anderen Social-Media-Plattformen als Abonnenten ihres Newsletters zu gewinnen, nachdem Meta gedroht hatte, die Sichtbarkeit ihres Instagram-Accounts einzuschränken, weil ihre Inhalte nicht den Ewartungen des Konzerns entsprechen. Rückblickend, sagte Sacha, haben unabhängige Creator immer Wege gefunden, zu publizieren und Communities aufzubauen. Sie verwies auf aktuelle Projekte wie Open Doors, das Archive of Our Own und die Tiny Awards, letztere „feiern das beste kleine, poetische, kreative und handgemachte Web“. Sacha zitierte Molly White: „Vielleicht fühlen wir uns in einem winzigen, überfüllten und lärmenden Ort gefangen, aber das ist nur so, weil wir nicht über seine Wände hinausschauen.“ („We may feel as though we are trapped in a tiny, crowded, noisy space, but it’s only because we don’t see over the walls“).
## Reweirding the Web
Etliche Vorträge waren ziemlich ernst. Manche waren unterhaltsam, manche mit Wortspielen und Parodien auf Marketingklischees. Viele zitierten vorausgegangene Vorträge und entwickelten gemeinsame Narrative wie die stolze Umdeutung der Worte „Dork“ („Depp“ laut üblicher Übersetzung), „Nerd“, „seltsam“ („weird“) und „cringe“ als positiver Ausdruck von unabhängigen, diversen und divergenten Arten zu leben, zu denken und die Welt zu erforschen. Astrid Bin hatte dazu sogar extra einige Teile ihres Abschlussvortrags umgeschrieben und sie konsequenterweise als „Dork Patterns: The Story of Little Character“ betitelt.
Einige Vorträge waren sehr persönlich und thematisch jenseits von Technologie und digitaler Kreativität, wie die Renovierung einer Küche als Analogie von Legacy Code Refactoring (Ana Rodrigues) oder der Bau einer auch ästhetisch ansprechenden „Solarbibliothek“ („Solarian Library“) um das Burning-Man-Festival mit Ökostrom zu versorgen (Jared Ficklin). Manche Talks waren gar keine Vorträge, wie Brad Frostts Multimedia-Performance wo er zu Live-Percussion Bass auf der Bühne spielte. Adam Argyle mixte eines interaktives Livemusik-Demo mit technischen Details wie dem Horchen auf MIDI-Signale mit typisierten Custom Properties und wie man sicherstellt dass der Computer wach bleibt, solange man es selbst ist. Content-Lebenszeit, Bildoptimierung und sparsame Verwendung von Video im Web sind immer noch wichtige Schritte zur Reduktion von CO2-Emissionen. Ebenso wie ein kritischer Umgang mit generativer künstlicher Intelligenz (GenAI) die „Mehrwert schafft auf der Grundlage menschlicher kreativer Arbeit. Allerdings unbezahlter.“ („creates value based on the creative work of humans. But without compensation,“) zitiert von Thorsten Jonas der seine Ideen zu nachhaltiger Usability (Sustainable UX = SUX) in der diesjährigen Eröffnungsrede teilte.
Die meisten Vorträge enthielten Zitate und QR-Codes zu weiterführenden Quellen. Die folgende kleine Sammlung ist ein Ausschnitt aus spontanen Notizen ohne Anspruch auf Vollständigkeit oder Maßgeblichkeit. Schaut euch die Slides, Videos und Websites der Speaker and und lest weitere Blogartikel für einen besseren Überblick!

„Shit you should care about“ — Sacha Judd interviewt Lucy Blakiston bei der Beyond Tellerrand-Konference in Berlin 2025
Weiterer „Shit you might care about“
Hier also einige Notizen und Leselisten-Inspiration die im Fließtext keinen angemessene Erwähnung fand. Bestimmt gibt es noch mehr „Shit“ der DEINEN Interessen entspricht.
- Abby Covert: How to make sense of any mess
- BlackSky Society Network
- Nyokabi Kariuki: digitale Tanz- und Body-Percussion-Kunst-Performance
- hyperfixed podcast
- Monika Bielskyte: „Wer die Fantasie bestimmt, bestimmt die Zukunft“
- Tracee Worley, Radical Futures
- Kyle Chayka: Filterworld: Wie Algorithmen die Kultur verflachen
- Sara Soueidan: Accessibility, the “Other” C in CSS (CSS Day 2024)
- Project Wallace, „der beste CSS-Analyzer den es gibt“
- CSS Stats: visualisiere deine Cascading Style Sheets
- web-platform-dx/baseline-status
- Stark Kontrast/Barrierefreiheits-Checker für Figma
- Little Character Typeface/Font als Tribut an LITT.CHR
- Paul Boag: Clicks without the shady tricks (ein Buch über ethisches Marketing)
Vergangenheit und Zukunft: weitere wichtige Erinnerungen
Cabeza Patata scherzten, dass sie bloß ihren Vortrag von 2021 wiederholen würden, weil sie als junge Elter kaum noch Zeit hätten, zu arbeiten oder gar Vorträge vorzubereiten. Sie sind „erschöpft, aber immer noch begeistert“ und hatten sehr wohl Zeit und Lust. „Die positive Kraft des NEINsagens“ und „not giving up one’s agency“ war genau das, was ich damals hören musste. Nach meinem ausführelichen Blogbeitrag über die Beyond Tellerrand Konferenz in Düsseldorf 2022, und Takeaways from the Never Code Alone Testing and Refactoring Conference (apart from the T-Shirt) wurde ich ein wenige schreibfaul und veröffentlichte oft nur knappe Meetup-Notizen und einige Bilder auf Social Media. Events und Konferenzen in den folgenden Jahren inspirierten mich zu einem nachdenklichen Beitrag über Ökologie, Ethik und Ästhetik, aber vieles passierte „nur“ im echten Leben: Kontakte, gemeinsame Projekte, Austausch von Ideen und Notizen auf Papier, die bisher nicht online zu finden waren.
I war bei der border:none 2023 in Nürnberg, beim FairDay 2024 in Karlsruhe, beim Prototype Fund Demo Day 2024 in Berlin, und bei der Urban Utopia 2025 in Berlin ohne darüber zu bloggen. Ich werde hier auch nur ein paar Eindrücke ergänzen. Wenn du jetzt Fear of Missing Out bekommst, dann melde dich für Folgeveranstaltungen an! Weil du aber bestimmt nicht alle Zeit und alles Geld der Welt hast, wähle geschickt, wo du investierst. Was weckt deine Neugier? Was begeistert und inspiriert dich? Was ist dich am wichtigsten?
Eindrücke von der Beyond Tellerrand 2023
Bilder von früher: beyond Tellerrand Berlin 2023
Konferenzen im echten Leben meistern
Ich muss gestehen, ich habe gemischte Gefühle gegenüber Konferenzen und Meetups. Wirklich! Im Laufe der Jahre fragen wir uns doch vielleicht, warum wir überhaupt noch echte Events besuchen, wenn die Vorträge als Videos online sind und wir virtuell recherchieren und inspirieren lassen können? Vielleicht sind seltene technische Details, weiterführende Lektüre-Links, Unterhaltung und Motivation Grund genug, Konferenzen im echten Leben zu besuchen, und ich rate dir auf jeden Fall, das für dich selbst herauszufinden! Insbesondere wenn du als Junior noch auf keinen oder nur wenigen solcher Veranstaltungen warst. Realität ist unersetzbar: Zufallsbegegnungen, spontane Gespräche in der Kaffeeschlange und aufgeschnapptes Publikumsgeflüster, die Atmosphäre und das Gefühl, willkommen zu sein. Ich habe nicht auf jeder Veranstaltung neue Freunde oder Geschäftspartner kennengelernt, aber oft und auf allen, die ich in diesem Artikel nannte.
Tips zum Netzwerken auf Tech Events
Erwarte nicht zu viel! Habe keine Angst, etwas zu verpassen und stresse dich nicht mit dem Versuch, die ganze Zeit produktiv zu netzwerken! Entspanne dich und sei offen für Überraschungen! Überoptimiere nicht!
Ich bin nicht übermäßig introvertiert. Ich mag Menschen, aber ich brauche auch ruhige Momente. Mein Mittagessen habe ich am zweiten Konferenztag ganz allein unter einem sonnigen Baum gegessen und es genossen, konzentriert auf mich selbst die Eindrücke und Erfahrungen im Geiste sacken zu lassen.
Ich bin auch nicht immer in der Stimmung zu reden oder zuzuhören. Also habe ich wieder Visitenkarten drucken lassen, die ich anderen in die Hand drücken kann, auf der Rückseite ein QR-Code, falls sie die digitale Version bevorzugen. Auf diese Weise komme ich auch mit Menschen in Kontakt, wenn ich eine Pause brauche. Ich trage Brille und Hörgerät, sitze aber trotzdem geren in einer der ersten Reihen, was mir sehr erleichtert, den Vorträgen zu folgen. Ich mache auch immer noch sehr gerne handschriftliche Notizen, aber oft ist es schneller und bequemer, erstmal ein Foto mit meinem Smartphone zu machen und mein Notizbuch später zu ergänzen.
Mehr Realität, mehr Diversität
Wie wählt man die passende(n) Konferenz(en) aus? Strebe nach Vielfalt! Ich habe herausgefunden, dass mich Konferenzen und Meetups jenseits meines beruflichen Bereichs am meisten inspirieren, so wie Urban Utopia 2025 im Holzmarkt Berlin. Da traf ich auf Gärtner, Landschaftsarchitekten, Erfinder und Akademiker, die über Ökologie und Stadtentwicklung forschen, und schaute den legendären Dokumentarfilm Natura Urbana. Wir diskutierten, sangen und feierten gemeinsam. Black in Fashion, ein Panel Talk im Modedesign-Atelier von Buki Akomolafe und Emeka in Kreuzberg während der Berlin Fashion Week 2025 war so überfüllt dass ich kaum hereinkam. Online habe ich während der Pandemie an der JSConf Africa 2021 teilgenommen, voller Aufregung, endlich eine internationalere Entwicklergemeinschaft zu entdecken. Es gibt größere und kommerziellere Konferenzen wie We Are Developers oder Freelance Unlocked (2025 mit Zsike Peters Thinkbait-Vortrag und nützlichen Workshops über Barrierefreiheit mit Alexandra Frey – barrierefrey – und Lebenslauf-Tuning mit Nicolas Kopp: „Recruiter sind auch nur Maschinen.“) Im Vergleich dazu sind Beyond Tellerrand und ähnliche Events immer noch ziemlich divers und unabhängig. Dort ist die Gefahr von Mansplaining Fatigue und Conference Burnout viel geringer wegen des ungewöhnlichen Schwerpunkts von Fairness, Barrierefreiheit, Kreativität and zwischenmenschlicher Kommunikation, Werte die leider zurzeit Seltenheitswert haben.
Let’s go beyond: bye bye Berlin 2025
, there will be no beyond Tellerrand Berlin 2026.
Beyond Tellerrand and where else to go in 2026
However, there will be a beyond Tellerand conference in 2026 in Düsseldorf, my former home town. So I might go there. There will also be several other creative and tech conferences with a similar focus and audiences in other European cities like London and Amsterdam in 2026, including Smashing Conference and CSS Day 2026. And, looking beyond my bubble even further, when will I ever travel Africa? The world is about shift its focus away from America, which became preferred destination for ambitious people for decades after Europe had deliberately destroyed its innovative and open-minded culture of the „golden twenties“ decade about one hundred years ago. I’ve heard that there is a vibrant tech scene in Lagos, Nairobi and Kigali. I still haven‘ traveled to Korea either. So many exciting opportunities!
So, where to go in 2026 and beyond?














