Wie Diversity im Kino funktioniert, ist oft so wohlfeil wie offensichtlich. Seit Clashing Differences weiß ich es auch mit dem Begriff Token zu benennen. Als weißer Cis-Mann kritische Filme anzusehen ist nicht nur notwendig sondern auch spannend, nur leider gibt es erstaunlich selten Gelegenheit dazu.

Kinoleinwand mit Gästen am Mehringplatz Berlin

Augure / Omen, der neue Film von Baloji über die Reise eines gemischten belgischen Paares in ein fiktives Heimatland in Afrika, wurde wenig angekündigt und war selbst in einer Großstadt wie Berlin praktisch nicht zu sehen. Hauptsache Barbie – kontrovers diskutiert als feministisch oder aber Pinkwashing Product Placement (siehe Filmkritik in der taz) – oder einfache Komödien werden gezeigt. Klar, selbst Qu`est-ce qu`on a fait au bon Dieu (deutsch Die Töchter des Monsieur Claude oder ein ähnlich vorhersehbarer Frankophilie-Titel) ist ein bisschen kritisch aber vor allem eine Komödie in der Tradition von Louis de Funès als Rabbi Jacob.

Meduse Deluxe fällt in mehrfacher Hinsicht aus dem Rahmen, sollte unbedingt im Originalton angesehen werden, um Slang und Wortwitz zu würdigen. Trotz aller krassen Klischees sind hier einige Role Models jenseits des üblichen Mainstream Mode- und Design-Zirkus zu bewundern.

Aber zurück zur Kritik. Merle Grimme hat mit Clashing Differences einiges anders gemacht, nicht zuletzt konnten die Darstellenden selbst ihre Rollen und Dialoge mitentwickeln und zusätzlich sprechen alle einen persönlichen Monolog direkt zum Publikum, um das zu sagen, was in der konkreten Situation scheinbar nicht möglich oder erwünscht ist. Ich selbst komme im Film hoffentlich nicht vor, vielleicht aber schon. Männer sind keine zu sehen, außer dem anscheinend rechtsradikalen Taxifahrer und seinen Freunden. Also muss ich mir die Frage stellen, ob ich mich eher in den engagierten alten Gutmenschen wiederfinde oder in der ostdeutschen Paula, die sich oft zwischen allen Stühlen wiederfindet, verzweifelt versucht, es allen recht zu machen und dabei immer wieder in Fettnäpchen tritt. In ihrem Monolog beschreibt sie ihre eigene Verzweiflung verschämt und flüsternd, denn eigentlich hat sie gar kein Recht zu meckern, weil es ihr doch scheinbar so gut geht. „Menschen können gleichzeitig Unterdrücker und Unterdrückte sein“ wird an anderer Stelle sehr treffend bemerkt.

Clashing Differences lädt ein zum Lachen und Lernen und lässt uns mit schuldbewusstem Weltschmerz nachdenken, was wir überhaupt als einzelne tun können, um diese Welt besser, gerechter und liebevoller zu gestalten. Als allererstes: hinsehen und zuhören und undbedingt diesen großartigen Film ansehen!

Beitragsbild: Berlin-Premiere im Open-Air-Kino am Mehringplatz im Juli 2023